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Ohne Motivation gibt es keine Hochbegabung

Es gibt verschiedene Modelle, anhand derer man versucht, Hochbegabung zu beschreiben. Die Modelle unterscheiden sich hauptsächlich hinsichtlich der Rolle, welche die Umwelt bei der Entwicklung der Hochbegabung spielt. Jakob Pietschnig weiß: „Bei aller Unterschiedlichkeit gibt es jedoch drei zentrale Elemente, die in den meisten Modellen mehr oder weniger prominent vorkommen: die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit, die Leistungsmotivation und die Kreativität.“ Am anschaulichsten zusammengefasst sind sie im sogenannten „Drei-Komponenten-Modell“. Die Idee dahinter ist, dass überdurchschnittliche Fähigkeiten für sich selbst keine hinreichende Bedingung für Hochbegabung darstellen. Sondern dass Letztere erst durch die Überlappung mit anderen Persönlichkeitsvariablen entsteht. So ist es etwa nicht vorstellbar, dass jemand eine außergewöhnliche Leistung erbringt, wenn er keine Motivation dazu verspürt. Jakob Pietschnig lehrt Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Wien.

Kreativität spielt bei Hochbegabten eine große Rolle

Dieses Faktum bezeichnet man in der Psychologie als „Kompetenz-Performanz-Problem“. Es bedeutet, dass die Fähigkeit eines Menschen, sprich seine Kompetenz, selbst mit den allerbesten Testinstrumenten nicht festgestellt werden kann, wenn er nicht dazu motiviert ist, die ihm vorgelegten Aufgaben auch zu bearbeiten. Jakob Pietschnig stellt fest: „Das heißt, dass die Erfassbarkeit der Fähigkeiten eines Menschen von seiner Motivation während der Leistungserfassung abhängig ist.“ Sie ist für die Testleistung, die Performanz, unbedingte Voraussetzung.

Verglichen mit ihr spielen andere Faktoren, die zu einer geringeren Performanz führen können, wie etwa Lärm, Temperatur oder Persönlichkeitsvariablen wie Tendenz zu Prüfungsangst, eine weniger bedeutende Rolle. Ohne Motivation gibt es auch keine Hochbegabung. Neben der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Leistungsmotivation spielt Kreativität als dritter Faktor eine große Rolle. Sie ist ursächlich für neuartige und zugleich problemangepasste Lösungsansätze. Wenn alle diese drei Faktoren von so großer Bedeutung sind, stellt sich die Frage, weshalb man die Hochbegabung Einzelner fast ausschließlich an der Feststellung ihrer überdurchschnittlichen Fähigkeiten festmacht.

Auf Kommando kann kaum jemand kreativ sein

Jakob Pietschnig erläutert: „Das hat in Wahrheit jedoch ganz pragmatische Gründe: Zum einen kann man davon ausgehen, dass jemand, der eine allgemein geringe Leistungsmotivation besitzt, auch bei der Erfassung seiner kognitiven Fähigkeiten keinen allzu großen Ehrgeiz, gut abzuschneiden, an den Tag legen wird.“ Vereinfacht gesagt: Wenn sich jemand grundsätzlich nicht gerne anstrengt, wird er sich auch bei der Testung nicht verausgaben und dementsprechend auch nicht Gefahr laufen, als potenziell hochbegabt eingestuft zu werden.

Die Motivation wird also durch eine gute Testleistung zumindest miterfasst. Zum anderen ist Kreativität ein schwer konkret definierbarer Begriff und bislang – wenn überhaupt – nur schlecht messbar. Warum Kreativität nur schlecht messbar ist, wird einem Menschen spätestens dann bewusst, wenn er bei einem Kreativitätstest vom Testleiter sinngemäß aufgefordert wird: „Seien Sie kreativ – und zwar genau jetzt!“ Selbst grundsätzlich äußerst kreative Menschen werden Probleme haben, auf Kommando kreativ zu sein. Quelle: „Intelligenz“ von Jakob Pietschnig

Von Hans Klumbies

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